Der Rumäne Teil 2 oder Stirb Langsam in echt


Das wahrscheinlich unvergesslichste Erlebnis habe ich nie gebloggt, zu irre, zu wahnsinnig und unglaublich war es. Die Ereignisse liegen etwas zurück und geschahen in der Vorweihnachtszeit 2007 und es war damals mein erster Trip weiter in die USA hinein.
Zu der Zeit besass ich noch keine Truck Driver License und wurde als Fahrschüler einem rumänischen Kollegen zugeteilt mit dem ich ja schon das "Brückenabenteuer" erlebt hatte.

Wir sollten frische kanadische Weihnachtsbäume nach New York City bringen. Ein kleiner Weihnachtsmarkt in Queens wartete da bereits auf diese Bäume.
Die Anfahrt nach Queens war bis auf ein paar Kleinigkeiten wie falsch beschriftete Brückenhöhen relativ unspektakulär. Auch dass es viele Stunden dauerte bis die Weihnachstmarkmitarbeiter den 53" Trailer von den Bäumen befreit hatten störte mich nicht allzu sehr. Eine gute Gelegenheit den Stadtteil Queens mal genauer zu besichtigen. Da dieser Tag auch der vierte Donnerstag im November war, war am nächsten Tag "Black Friday" in den USA. An diesem Tag ist New York fast ausgestorben, alle sind unterwegs zu Verwandten, Freunden usw. Und der Einkaufsrummel für Weihnachten startet traditionell an diesem Tag.
So hatten wir die Nacht eine ganzen Parkplatz mitten in Queens und konnten den nächsten Tag noch ausgiebige Ausflüge mit der Metro nach Manhattan usw. unternehmen da Ladungen am Feiertag eher Mangelware sind. Wenn man schon mal mitten in New York City steht, stört einen dies komischerweise überhaupt nicht.

So gab es das volle Programm: Fährfahrt nach Long Island an der Freiheitsstatue vorbei und zurück (übrigens kostenlos!) und Metrofahrten an alle coolen Schauplätze Manhattans. Ich habe ja schon viele Städte gesehen aber NYC ist wirklich nicht zu beschreiben und jeder sollte sich dies einmal im Leben gönnen! Grand Central Station, Empire State Building, Central Park und und und... Unglaublich was man dort zu sehen bekommt und die Ansicht der Wolkenkratzer von ganz unten kann kein Foto wieder geben. Von oben schon mal gar nicht :-)

Das grosse Drama begann am nächsten Vormittag als mein rumänischer Weggefährte und "Ausbilder" den Truck wieder aus NYC herausfahren wollte. Wie ich später ja wusste, verfranste sich der Junge sowieso immer und ständig. Zu dem Zeitpunkt dachte ich aber noch naiv wie man als Neuling so ist, er wäre ja wohl ein erfahrener Trucker auf dem Kontinent. Ein Riesenirrtum wie sich schon eine knappe Stunde später heraus stellte. Von Queens aus fuhr er reichlich merkwürdige Bögen über alle möglichen Strassen, so dass ich nach kurzer Zeit nicht mehr wirklich wusste wo wir waren. Irgendwann steuerten wir aber eindeutig auf Manhatten zu, was unschwer an der Skyline zu erkennen war. Wunderbare Fotomotive, also beschäftigte ich mich mit der Kamera anstatt auf die Warnschilder zu achten die mein rumänischer Fahrlehrer Stück für Stück missachtete: NO TRUCKS! DANGER! TUNNEL!! usw.

Er hatte mittlerweile volles Tempo drauf, wir fuhren mit 106 km/h auf einer breiten mehrspurigen Strasse immer weiter auf Manhattan zu. Was ich nicht wusste und nicht ahnte: Er raste volle Pulle auf den Midtown Tunnel zu der ausschliesslich PKW vorbehalten war. Schlicht aus dem Grund weil er zu niedrig für Trucks ist.
Ich hörte einen Hubschrauber und dachte: "Wow, der ist aber tief und dicht über uns". Wollte ich natürlich auch fotografieren. Dann aber kam noch ein Hubschrauber und noch einer. So langsam beschlich mich ein merkwürdiges Gefühl, denn es waren NYPD Hubschrauber und alle direkt über, vor und hinter uns. So dicht, dass sie fast auf dem Dach des Trailers landen konnten.
Dann - wirklich wie in Zeitlupe - begriff ich so langsam, dass die uns meinten könnten und schaute mal aus der Windschutzscheibe nach vorne. Irrsinnig viele Polizeiwagen schossen an uns vorbei... Immer mehr und alle in voller Beleuchtung mit ihren rot-blauen Blitzlichtgewittern und Sirenen. Dann erst sah ich selber das erste Mal die Warnschilder an der Strasse....

Ich schrie meinen rumänischen Wahnsinnsfahrer an der natürlich wie immer kein Wort verstand. Deutsch nicht, englisch nicht, rumänisch konnte und kann ich nicht. Keine Reaktion, er lächelte und fuhr weiter. In der Ferne sah ich bereits unglaublich viele rot-blaue Blitzlichter und der Hubschrauberlärm wurde immer unterträglicher. Die MEINTEN UNS!

Mir glitt die Kamera aus den Händen, ich sank immer tiefer in den Sitz, zog den Gurt nur noch fest und wartete... Ich war machtlos und ahnte schlimmste, allerschlimmste Dinge.

Dann endlich nach gefühlten endlosen Minuten näherten wir uns dem Gewitter aus Blitzleuchten, Scheinwerfern und heulenden Sirenen. Die Strasse war komplett beidseitig mit Polizeiwagen abgeriegelt worden, Türen standen offen, dahinter sah man kauernde New Yorker Cops mit Maschinenpistolen - die in unsere Richtung zielten. Direkt dahinter das Einfahrtsloch des Tunnels. Das Bild oben ist exakt die Stelle an der dies alles stattfand, ich selber war nicht mehr in der Lage noch habe ich mich getraut Bilder zu machen.

Mein Rumäne begriff immer noch nicht, dass dieses Empfangskomitee ihm gebührte. Er meinte irgendwas mit "wird wohl ein Unfall im Tunnel sein". Ich konnte nur noch was wie "Vollidiot" stammeln. Dann stoppte er endlich und innerhalb von Sekunden standen an allen Fenstern des Trucks Cops und zig Pistolen zeigten auf uns. Was man dabei fühlt und denkt kann ich selbst heute noch nicht beschreiben. Eigentlich denkt man: Das war's dann! Irgendsowas. Ich sagte jedenfalls keinen Ton und rührte mich gar nicht, nicht einen Millimeter.

Über uns kreisten weiter die Hubschrauber, die Trucktür wurde aufgerissen und ein riesengrosser schwarzer Cop schaute dem rumänischen Irren fast in die Augen - so gross war der Cop... Der Cop schrie irgendwas wie "Hands on the wheel!" was wohl heissen sollte der Rumäne solle seine Flossen auf dem Lenkrad lassen.
Nachdem der Cop nach einigen Sekunden begriffen hatte, dass er es wohl nicht mit einem irren Terroisten zu tun hat sondern schlicht und einfach einen Vollidioten vor sich hatte wurde die Lage ein bisschen entspannter. Ich hörte Funkdurchsagen und ein paar Sekunden später entfernten sich die Hubschrauber... Die Sirenen wurden nach und nach abgestellt. Der Lärmpegel war bis dahin THX Dolby Surround Oscar reif.

Trotz allem blieben während der gesamten Aktion alle Waffen weiter auf unseren Truck gerichtet. Es war irre und surreal. Nachdem der Cop den Rumänen Mass genommen hatte, dieser nur ständig dumm lächelte (er verstand ja auch kein Wort) brüllte der Cop noch zwei Sätze die ich bis heute nicht vergessen habe: Der erste Satz war: "YOU ARE NOT A TRUCKDRIVER, YOU ARE A BIG, BIG ASSHOLE!!!" "Das stimmt wohl" dachte ich bei mir und musste der erste Mal grinsen.
Der zweite Satz galt mir, nachdem klargestellt wurde, dass ich hier ein auszubildender Truckdriver Trainee war: "YOU NEVER USE A TUNNEL IN NEW YORK CITY WHEN YOU DRIVE A TRUCK". Das habe ich mir für immer und ewig gemerkt. Und sollte man im übrigen auch, macht das rumfahren dort mit Trucks viel einfacher :-)

Der rumänische Irre fragte irgendwann zitternd was denn an Strafe zu erwarten wäre. Der Cop sagte ihm: so ca. 1000 US Dollar..... Kunstpause. Pro überfahrenem Warnschild fuhr er dann fort und grinste. Es waren mind. 7 oder 8 Schilder die Truckdriver vorher warnen. Mindestens.

Dann irgendwann wurde der gesamte Platz vor dem Tunnel von den Absperrungen befreit - der normale Verkehr wurde ja die gesamte Zeit über angehalten, was dort los war kann man sich ja denken. Mein rumänischer Superfahrlehrer wurde angewiesen zu drehen (was auch wieder Minuten dauerte, weil er es wieder nicht begriff). Eine Eskorte des NYPD wurde uns vorausgeschickt und wir hätten die USA auf direktem Wege Richtung Kanada zu verlassen.

Ich habe seit diesem Vorfall nur noch das Nötigste mit diesem Irren gesprochen, ich wollte nur noch nach Hause. Aber selbst auf der Rückfahrt an der kanadischen Grenze war dieser Mann nicht zu toppen: Er überfahr glatt den Schlagbaum und das Fenster des Grenzers. Schon wieder ein Riesenalarm und Geschrei. Ich war mittlerweile zu müde um mich noch wirklich dafür zu interessieren. Der kanadische Grenzbeamte war kurz davor unseren Truck in ein Lot zu weisen zwecks kompletter Untersuchung. Nur weil ein anderer Autofahrer zum Glück ein paar Meter weiter die Mautstelle ohne Bezahlung umfahren wollte verhinderte diese Aktion. Alle Beamten waren dann schlagartig mit diesem anderen Verrückten beschäftigt. Der Grenzer warf unsere Papiere zurück in den Truck und liess uns ziehen. Ein Glück.

Mein rumänischer "Ausbilder" hatte wohl mittlerweile selber weiche Nerven und zitterte am ganzen Körper während er die Grenzanlage verliess. Kurz darauf ging es auf den Highway der zu der Zeit einspurig war und mit Baustellentonnen gesichert war. In Ontario sind es die dicken, ca. einen Meter hohen Plastiktonnen. Er versuchte mir irgendwas zu erklären und fuhr dabei reihenweise diese wirklich unübersehbaren Kegel über den Haufen. Sie flogen wie Geschosse über den Truck, neben mir am Fenster vorbei usw. Es knallte im Sekundentakt. Erst als ich ihn anschrie riss er den Truck endlich wieder auf die richtige Seite. Hinter uns war zum Glück keinerlei Verkehr da sich all das mitten in der Nacht abspielte. Die kanadischen Bauarbeiter mussten wohl eine Menge Tonnen aus den Büschen bergen am nächsten Morgen.

Als wir nach Tagen endlich wieder in der Heimat ankamen, verweigerte ich jede weitere Fahrt mit ausländischen Kollegen, ich bestand auf einem kanadischen Fahrer mit langjähriger Erfahrung. Ansonsten wäre ich zum damaligen Zeitpunkt gleich wieder zurück nach Germany geflogen.
Diese Geschichten sind im übrigen wahr, nichts davon ist erfunden. Einige Kollegen aus der damaligen Zeit wissen das noch und haben meine panischen Live SMS erhalten :-)

Damit ist diese Story nun auch endlich mal nieder geschrieben.

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blubb